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Viele Menschen kennen das Gefühl, dass eine Trennung der einzige Ausweg zu sein scheint. Oft stellt sich dann heraus, dass etwas fehlt, wenn der Partner nicht mehr da ist. Doch was genau fehlt? Ist es der Partner selbst oder eher das vertraute Gefühl? Sind es Ängste vor dem Alleinsein? War die Trennung die richtige Entscheidung? Es gibt viele Fragen und Gedanken, die sich in solchen Situationen stellen. Nicht selten sind Paare nach einer Trennung schnell bereit, einen zweiten Versuch zu wagen. Meine tägliche Arbeit mit Paaren und das Feedback in meinen Workshops untermauern meinen persönlichen Eindruck. Kann der zweite Versuch gelingen? Hält die Beziehung beim zweiten Mal länger oder ist die Beziehung “besser“ als vorher?

Wichtig ist, die richtigen Fragen zu stellen

Die meisten Paare versprechen sich von der Trennung und dem damit verbundenen Abstand, dass “man gucken kann, ob es irgendwann nochmal klappt“. “Wir brauchen erstmal Abstand und dann schauen wir, ob wir uns vermissen und wie das Gefühl so ist“. Kommt dir vielleicht bekannt vor, dieser Satz oder ein ähnlicher. Ich kann sagen, dass man sich natürlich vermisst und dass es sich zu Beginn ganz mies anfühlt, ohne den Anderen zu sein. Das ist normal und leicht zu erklären. Nur gibt das keinen Aufschluss darüber, ob man sich eine zweite Chance geben sollte oder nicht. Das wichtige ist, dass man diesen Abstand sinnvoll nutzt und sich miteinander auseinander setzt und vor allem mit dem, was letztlich zur Trennung geführt hat. Folgende Fragen können helfen, herauszufinden, ob eine zweite Chance möglich ist.

  • Was verspreche oder erhoffe ich mir durch die Trennung?
  • Was habe ich dazu beigetragen, dass wir uns getrennt haben?
  • Was hätte ich tun können, um die Trennung zu verhindern?
  • Was würde ich in einer neuen Beziehung anders machen?
  • Was soll sich mit der zweiten Chance verändern?

Diese Fragen sind nur sinnvoll, wenn man ehrlich zu sich selbst ist. Es ist möglich zu sagen, dass die Person, die sich getrennt hat, Schuld daran hat, dass man jetzt leidet. Aber das ist eine einseitige Sichtweise. Jeder trägt zu 50% zu dieser Beziehung bei und ist somit auch zur Hälfte dafür verantwortlich, dass es klappt. Es ist im eigenen Interesse, dies zu berücksichtigen. Die Aufarbeitung funktioniert nur, wenn Ehrlichkeit und Selbstreflektion vorhanden sind. Die Opferrolle ist bequem und verschafft Vorteile. Aufmerksamkeit, Anteilnahme und Bestätigung sind Nebeneffekte, die zumindest für die meisten Menschen Gründe sind, warum sie Situationen ausnutzen. Deshalb ist es wichtig, immer zuerst auf sich selbst zu schauen und nicht mit dem Finger auf den anderen zu zeigen.

Was mache ich mit den Antworten?

Beide Partner sollten also die Zeit nach der Trennung nutzen, um sich selbst mit diesen oder ähnlichen Fragen auseinander zu setzen. Mit den Antworten kann man gemeinsam schauen, welche Handlungen verändert werden müssen, damit es zukünftig besser klappt, und welche Voraussetzung geschaffen werden kann, damit aus der Trennung ein Lerneffekt eintritt. Der wichtigste ist sicherlich eine offene Kommunikation, die darauf abzielt sein eigenes Bedürfnis zu definieren und sich selbst wichtiger zu nehmen als bisher. Denn oft sind die Partner so sehr auf den anderen fokussiert, dass man selbst hinten ‚rüber fällt. Das wiederum begünstigt das Gefühl, sich trennen zu müssen, weil man glaubt, nicht zusammen zu passen. Es macht Sinn, über Gemeinsamkeiten zu sprechen. Wie stellt sich jeder die Freizeitgestaltung vor? Was muss Teil der Beziehung sein und was darf gerne Teil der Beziehung sein? Nicht jeder ist für Serienabende bei Netflix geeignet und nicht jeder mag sportliche Aktivität. Es muss ein Gleichgewicht her, sonst wird es dauerhaft schwer, zufrieden zu sein. Eventuell müssen räumliche Bedingungen verändert werden, ggf. müssen finanzielle Aspekte mehr berücksichtig werden. Grundsätzlich gibt es Lösungen, man muss sich nur über das Problem bewusst sein. Daran scheitert es bei den meisten Neuanfängen.

Ein neuer Partner ist oft nicht Problem oder Auslöser

Es stellt sich in so einer Phase auch die Frage, was passiert, wenn einer der beiden einen neuen potenziellen Partner kennenlernt oder sich neu verliebt.

Aus meiner Erfahrung der letzten 6 Jahre: es ist noch nie eine solide Beziehung aus einer solchen Situation entstanden.

Meiner Meinung nach kann das nur in sehr spezifischen Fällen funktionieren. Psychologisch gesehen können wir Unzufriedenheit eine Weile unterdrücken und möglicherweise durch einen Frustkauf oder eine schöne Reise kompensieren. Wir können uns mit Freunden treffen und kurzzeitig den Fokus verschieben. Langfristig jedoch möchte unser Unterbewusstsein das Beste für uns und sucht nach Wegen, dies zu erreichen. In dieser Phase ist jeder, der etwas anders sagt oder macht als das, was uns gerade unzufrieden macht, erstmal toll. Wenn ich mit meinem BMW unzufrieden bin und Mercedes mir verspricht, dass es bei ihnen besser ist, bin ich überzeugt, dass Mercedes das Richtige ist. Allerdings wird meine Entscheidung in diesem Moment nicht von mir getroffen, sondern von meinem Unterbewusstsein und dem dazugehörigen Impuls von außen. Wenn ich mit meinem BMW zufrieden bin, möchte ich von Mercedes gar nichts hören. In der Situation, in der etwas unangenehm ist, sind wir empfänglich für das, was vermeintlich besser ist. Das gilt auch für Emotionen. Wenn ich innerhalb einer Beziehung das Gefühl vermisse, geliebt und begehrenswert zu sein, bin ich empfänglich für den Menschen, der mir genau das in dem Moment gibt. Ob das richtig oder falsch ist, möchte ich hier nicht zur Diskussion stellen. Fakt ist, dass die Psyche so funktioniert. Deshalb ist es wichtig, meine Bedürfnisse zu kennen und zu kommunizieren. So wird vermieden, dass jemand empfänglich für äußere Einflüsse wird. Und der andere Mensch, der eventuell neu in diese Situation dazu kommt ist grundsätzlich unschuldig an dem, was zwischen Partnern passiert. Er wird auch nur als Mittel zum Zweck genutzt in dem Moment und befriedigt dadurch sein eigenes Bedürfnis. So schwer das emotional zu verstehen ist, die falsche Entscheidung hat hier nicht die fremde Person getroffen. Sie ist nicht dafür verantwortlich ist, dass die Trennung ausgesprochen oder vollzogen wurde.

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Do`s für die 2. Chance:

  • sich selbst hinterfragen und auf sein eigenes Handeln schauen
  • respektvoll miteinander umgehen
  • Kontakt, nach der Trennung, auf das nötigste beschränken
  • Abstand nehmen und aufarbeiten
  • Beziehung reflektieren, mögliche Probleme identifizieren
  • sich Zeit nehmen und dann offen kommunizieren

Dont`s für eine 2. Chance:

  • sich gegenseitig Vorwürfe machen
  • dem anderen die Schuld geben
  • den (Ex-) Partner vor anderen schlecht reden und als Bösen hinstellen (unangenehm, bei einer 2. Chance sind Leute befangen)
  • die Beziehung komplett kaputt reden, für eine gewisse Zeit hat es scheinbar gepasst
  • den anderen für die eigenen Gefühle verantwortlich machen
  • anfangen Märchen und Lügengeschichten zu erzählen – die Wahrheit hat immer den längeren Atem und kommt ans Licht

Wenn man gewisse Aspekte berücksichtigt und ernsthaft an eine zweite Chance für die Beziehung glaubt, macht es auf jedenfalls Sinn, daran zu arbeiten. Allerdings sollte man sich selbst gegenüber maximal ehrlich sein und sich auch fragen, ob man an der Erinnerung festhält oder an dem Menschen. Nichts ist frustrierender als Zeit mit dem “falschen“ Menschen, am falschen Ort zu verbringen.

Eine zweite Chance macht nur dann Sinn, wenn du weißt, was bei der ersten falsch gelaufen ist.

unbekannt

Dein Coach Nadja