Das muss nicht sein!
Wenn man sich auf eine Beziehung mit jemandem einlässt, gewinnt man nicht nur einen Partner, sondern (im besten Fall) auch die dazu gehörigen Familienmitglieder. Im Grunde ist es schön, wenn man weiß, dass man eine große Familie ist, in der man sich unterstützt, voneinander lernt, aber eben auch Leid und Traurigkeit gemeinsam durchstehen kann. Wären da nicht die unliebsamen Konflikte mit den Schwiegereltern. Ist der allseits berühmte Begriff “Schwiegermonster“ eine Fiktion? Zu wem sollte der Partner stehen? Und warum ist das Verhältnis zu den Schwiegereltern oft angespannt und “schwierig“? Lest den Artikel 😉
Rollenidentifikation
Ein häufiges Problem ist, wie so oft, die mangelnde Kommunikation. Denn die Schwiegereltern nehmen eine weitere Rolle ein. Sie bleiben Mutter/Vater eines Kindes, sie sind vielleicht schon Oma/Opa, sie bleiben Nachbar, Freund, sie haben eine berufliche Rolle. Mit dem Zeitpunkt der Beziehung sind sie auch Schwiegereltern. Das bedeutet, dass neue Aufgaben hinzukommen und andere wegfallen. Denn als Eltern, egal wie alt die Kinder sind, möchte man sie beschützen, Probleme von ihnen fernhalten und ein Stück weit Einfluss auf das Handeln der Kinder haben. Eltern sind sich aber auch bewusst, dass mit dem Eintritt eines Partners in das Leben des Kindes diese Aufgaben weitgehend wegfallen. Vor allem Vätern fällt es oft schwer, ihre Töchter in die Hände eines anderen Mannes zu geben. Es ist schwer zu akzeptieren, dass nun jemand anderes an der Seite der Tochter steht und auf sie aufpasst. Denn es gibt einem das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden.
An der Stelle möchte ich sagen: Für eine Tochter ist immer der Papa, der wahre Held. Hierbei setze ich ein harmonisches, liebevolles Verhältnis voraus.
Müttern fällt es besonders schwer, ihre Söhne loszulassen. Sie betrachten „ihren Jungen“ oft als „Besitz“ oder sogar als Partnerersatz, wenn der Ehemann verstorben ist oder nicht mehr im Haushalt lebt. Die Partnerin wird dann eher als Konkurrenz oder Gefahr gesehen, was die Beziehung von Anfang an auf eine harte Probe stellt. Es ist sehr wichtig, innerhalb der Familie zu kommunizieren, wie sich die Rollen verändern und dass dies nicht negativ, sondern im Gegenteil sehr positiv sein kann. Schließlich hat man wieder zwei lebenserfahrene und beschützende Personen dazu bekommen. Es gilt also insgesamt zu definieren, welche Rolle haben die Schwiegereltern im System. Dürfen sie Rettungsanker für die Beziehung sein, wenn es mal hakt. Darf das Paar sich regelmäßig Tipps holen? Werden Sie aus Beziehungsthemen rausgehalten und sind schlichtweg Gäste, die gern gesehen sind, aber zu Beziehungsangelegenheiten zu schweigen haben? Dürfen sie weiterhin Erziehungsmaßnahmen ergreifen? All das muss festgelegt und definiert werden.
Familienkultur
Die unterschiedlichen Herkunftsfamilien sollten nicht unterschätzt werden, da sie fast immer Auslöser für Konflikte sind. Jede Familie ist einzigartig und das ist auch gut so. Allerdings kann dies, ähnlich wie in einer Beziehung zwischen Partnern, in der Dreieckskonstellation mit den Schwiegereltern zu Problemen führen. Schwiegerkinder sind einer Familienkultur ausgesetzt, die von allen als selbstverständlich angesehen wird. In manchen Familien herrscht ein rauer Umgangston, der für Schwiegerkinder verletzend sein kann. Manche Familien entspannen sich bei oberflächlichen Gesprächen, während die Stiefkinder das Gefühl haben, emotional zu verhungern. Sie fühlen sich nicht willkommen und erleben kein persönliches Interesse. In anderen Familien wird laut gestritten und es fällt nicht auf, wenn eines der Kinder leidet und sich zurückzieht. Dann gibt es den von allen bewunderten Menschen in der Familie, neben dem alle anderen verblassen und der mit aller Vehemenz Aufmerksamkeit einfordert. Das alles mag für die Familie in Ordnung sein, aber es sollte auch immer klar sein, dass es Menschen gibt, die das anders erlebt haben, und so hat die Familie eine Mitverantwortung, einfühlsam auf das neue Mitglied einzugehen oder zu kommunizieren, wenn Unsicherheiten im Umgang mit der Situation bestehen.
Hier kann z.B. ein Gespräch zwischen Kind und Eltern stattfinden, in dem erklärt wird, dass der Partner viele Dinge anders kennengelernt oder gar nicht kennengelernt hat. Wichtig ist hier, dass es kein Gespräch wird, in dem Scham ausgedrückt wird. Es soll lediglich der Erleichterung dienen, den andern zu verstehen.
Beispiel:“ Papa, du weißt ich liebe deinen Humor und deine “Alltagskomik“ Bei Max war das immer anders. Seine Kindheit bestand aus Gewalt und Traurigkeit. Er benötigt Zeit, um sich in unsere lustige Familie einzufinden. Ich wünsche mir, dass du das respektierst“.
oder
“Mama, wir sind als Familie ja nicht so wahnsinnig gut darin, über Gefühle zu sprechen. Das ist auch okay so. Aber ich fände es schön, wenn du bei einem Besuch einmal nachfragst, wie es Hanna geht. Das ist eine kleine Geste, die ihr viel bedeuten würde, da sie sich sonst sehr ausgeschlossen fühlt. Von zu Hause kennt sie einen anderen Umgang mit Gefühlen“.
So ist es für alle Seiten leichter sich einander näher zu kommen und eine gesunde Basis aufzubauen.
Abgrenzung gilt für beide
Ich empfehle grundsätzlich eigene Grenzen und Wünsche persönlich und deutlich zu formulieren. Statt „Muss deine Mutter schon wieder kommen? Sie war doch erst da“ ist es zielführender, offen von sich zu sprechen: „Ich merke, dass es mich stresst, wenn deine Mutter kommt. Können wir die Intervalle etwas verlängern, sodass wir mehr Raum für uns haben“? Dann kann ein Paardialog beginnen. Wir können hinterfragen: warum stresst dich bzw. was stresst dich so? Was ist anders, wenn sie nur alle 3 Wochen kommt? Es geht um Ihr Paarleben innerhalb der Familie und nicht um ein Das-tut-man-aber-nicht-Gesetz.
Gleichzeitig kann sich auch der Partner, um dessen Eltern es geht, fragen: Warum ist es mir so wichtig, dass meine Mutter regelmäßig kommt? Hat hier noch keine Abnabelung stattgefunden? Fühle ich mich verantwortlich? Habe ich Ängste? Denn auch als Kind kommen wir in eine neue Rolle, mit Partner statt ohne. Wir sind nicht mehr nur Kind, sondern auch Partnerin, Ehefrau, Mutter vielleicht. Und in dieser Rolle möchte ich ein anderes Verhältnis zu meinen Eltern entwickeln. Ich möchte auch anders gesehen werden. Erwachsener, reifer, eben nicht mehr das kleine schutzlose Kind. Das heißt, hier kann ich wunderbar überprüfen, wo bei mir verborgene Anteile noch nicht in der neuen Rolle angekommen sind. Denn letztlich hat jeder (oder fast jeder) Angst davor, einmal ohne seine Eltern leben zu müssen. Wenn das bis zum Beginn der Beziehung die engsten Bezugspersonen waren, mit denen man viel durchgemacht hat, ist die Angst, das zu verlieren, umso größer.
Das Wichtigste im Umgang mit den Schwiegereltern ist, wie bei allem, die Kommunikation. Klarheit und Fingerspitzengefühl sind gefragt. Das Loyalitätspendel Ihres Partners schwingt zwischen der Herkunftsfamilie und der neuen Familie hin und her. Das ist nicht immer einfach und erfordert Verständnis und offene Kommunikation. Die „richtige“ Reihenfolge kann es erleichtern und Eskalationen vermeiden:
Zuerst ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Ihnen als Frau und Mann. Sie sind die neue Kernfamilie. Sie sollten liebevoll und klar Ihre jeweiligen Grenzen akzeptieren. Erst danach sollte das Gespräch mit den Schwiegereltern stattfinden, entweder gemeinsam oder einzeln. Dabei ist es wichtig, die Verantwortung nicht auf eine Seite zu schieben. Wenn es ein Problem mit den Schwiegereltern gibt, sollte der Partner nicht zum Verbündeten gemacht werden, niemand lässt sich gerne benutzen und schon gar nicht gegen die eigenen Eltern ausspielen. Anders sieht es aus, wenn die Beziehung direkt betroffen ist oder offensichtlich falsche Spielchen getrieben werden. Wenn bewusst Verletzungen provoziert werden, dann darf der Partner nicht nur, dann sollte er eine Einheit bilden und das gemeinsame Gespräch mit den Eltern suchen, allein schon um das eigene Ansehen nicht zu gefährden. Thema Abnabelung, hier muss klar kommuniziert werden, dass es um die eigene Beziehung geht und wenn Hilfe oder Intervention erwünscht ist, diese auch eingefordert wird.
Es ist nicht immer einfach mit der lieben Familie. Egal in welcher Konstellation und egal welcher Herkunft, wo unterschiedliche Menschen und damit Charaktere aufeinandertreffen, kann es schon mal holprig werden. Wichtig ist, dass wir achtsam bleiben und Situationen wertfrei betrachten, um dann bestmöglich reagieren zu können. Dabei sollten wir nie vergessen: Unsere Maßstäbe sind nicht die der anderen und das ist auch gut so. So bleibt es spannend und bietet Möglichkeiten zur Horizonterweiterung.
Dein Coach Nadja