Wir leben in ständiger Erwartung. In Erwartung, dass der Chef das Gehalt anpasst, dass unsere Nachbarn ihren Müll entsorgen, dass unsere beste Freundin mehr Zeit für uns hat, dass unser Partner sich mehr Mühe gibt und überhaupt erwarten wir ständig, dass andere etwas tun oder sagen, was uns gefällt. Letztlich können wir sagen, wir warten unser Leben lang. Des das Wort steckt in Erwartungen. Wir warten auf die Erfüllung von etwas.
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Aber warum haben wir so eine Freude daran zu warten? Haben wir eigentlich gar nicht, nur ist es den Menschen nicht bewusst, dass sie ihr halbes Leben mit warten verbringen. Die Erwartungshaltung ist eine durch Annahmen, Wünsche, Bedürfnisse oder Erwartungen geprägte Haltung. In der Psychologie und Soziologie wird die Erwartungshaltung auch als Antizipation bezeichnet und bedeutet eine vorweggnommene gedankliche Erwartung eines Ereignisses oder einer Reaktion, die nicht der Gegenwart entspricht
Hierbei geht es nicht ausschließlich um die Erwartung an andere, sondern auch um die Erwartung an uns selbst. Die entstehen oft aus negativen Glaubenssätzen, die wir aus unsere Kindheit mitnehmen. Lies dazu gerne meinen vorherigen Beitrag: Glaubenssätze- ein Fluch und ein Segen. Jedenfalls sind zu hohe Erwartungen an uns, selbstverständlich auch eine Warteposition. Und wo Erwartungen entstehen, entstehen auch Enttäuschungen und Frustration. Erwartungen sind oft Ideologien, die wenig mit der Realität zu tun haben. Sie richten sich an eine Situation in der Zukunft und haben wenig mit dem Ist- Zustand zu tun. Das ist auch mit ein Grund, weshalb wir Erwartungen haben. Weil wir den IST- Zustand nicht sehen und anerkennen. Weil wir es nicht schaffen das Jetzt so zu gestalten, dass wir damit glücklich und zufrieden sind. Deshalb “warten“ wir darauf, dass sich etwas in Zukunft so verändert, dass wir dann endlich glücklich sind. Gefährlich ist es auch deshalb, weil diese Erwartungen oft im verborgenen bleiben. Wir erwarten insgeheim vor uns hin, kommunizieren diese aber nicht. Weil wir eben er “warten“, dass jemand einfach macht was wir möchten, weil es demjenigen doch klar sein muss. Gerade in Beziehungen denken wir: mein Partner muss doch wissen, dass…
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Kurzer Exkurs in die Vergangenheit: Häufig liegen verinnerlichten Wünschen, Zielen und Erwartungshaltungen festgefahrene und nicht mehr infrage gestellte Vorstellungen zugrunde, die in unserer Kindheit verankert wurden. Eltern, Lehrer oder enge Bezugspersonen haben großen Einfluss darauf, was wir glauben, wie „man“ zu sein hat, was erwünscht und was verpönt ist. Sie prägen unsere Vorstellungen von der Wirklichkeit und unser Bild von uns selbst. Hier lohnt es sich, genauer hinzusehen, denn manchmal liegt das permanente Gefühl des Scheiterns oder Nicht-genug-seins an überzogenen Erwartungen anderer, die wir in der Kindheit gelernt bzw. übernommen haben und die uns noch im Erwachsenenalter steuern. Wir lernen also auch Erwartungen zu haben und müssen uns erst abtrainieren keine zu haben. Manchen Menschen fällt das leichter, anderen gelingt es ein Leben lang nicht.
Das ist die eine Seite, eine andere Seite, der Erwartung, kann sein, dass sie uns Chancen bietet. Eine Erwartung zu haben bietet uns erst einmal ein Gefühl der Sicherheit und gibt uns Struktur. Etwas, an das wir uns festhalten können und glauben können. Das kann in manchen Situationen hilfreich sein. Wichtig bei Erwartungen ist, dass wir sie von Zeit zu Zeit hinterfragen. Denn oft benötigen wir sehr viel Energie für die Bearbeitung entstandener Enttäuschung. Fragen wir uns regelmäßig weshalb wir diese Erwartung haben und wie realistisch diese ist, können wir Enttäuschungen vermeiden. Es gibt ja auch durchaus Erwartungen, die wir haben dürfen. Allerdings sollten diese immer an uns gerichtet sein. Dinge, die wir erreichen oder haben möchten sollten niemals in Abhängigkeit des Außens stehen. So kann ein Mensch die Erwartung haben, die Karriereleiter zur erklimmen. Natürlich dürfen wir von uns erwarten im Alter noch fit und agil zu sein. Dann liegt es aber auch an uns, alles in unserer Macht stehende zu tun, dass zu erreichen. Dazu gehört auch die Akzeptanz, dass wir in letztem Fall nicht gänzlich beeinflussen können, wie wir altern und ob überhaupt. Schaffen wir das, darf hier eine Erwartungshaltung bestehen, diese ist dann realistisch.
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Wir haben also auch die Möglichkeit aus Erwartungen, auch aus den falschen, zu lernen.
Bevor wir Fragen stelle, sollten wir immer fragen: welche Antwort erwarte ich?
Wenn ich kritisiere sollt ich frage: welche Reaktion des Kritisierten warte ich denn nun?
Wenn ich belehre: was erwarte ich, was mein gegenüber daraus mitnimmt?
Generell sollten wir uns fragen: Habe ich das Recht etwas zu erwarten, ist meine Erwartung gerechtfertigt und verhältnismäßig?
Das Hinterfragen kann uns schon ein gute Hilfe sein, um Enttäuschungen und Frust zu entgehen. Wenn wir lernen bewusst zu hinterfragen machen wir uns irgendwann automatisch frei von Erwartungen, weil wir feststellen, es geht darum im hier und jetzt glücklich zu sein und zu erkennen was wir haben. Damit sind viele Erwartungen überflüssig und verschwendete Energie. Ich gebe im Folgenden ein paar Impulse, wie ihr euch von Erwartungen frei machen könnt.
Denn Dalai Lama wusste schon : “Wenn wir unsere Erwartungen verringern, werden wir Zufriedenheit erfahren.“
Erwartungen loslassen:
- Konsequenzen klar machen. Was passiert bei nicht erfüllter Erwartung? Ist es das wert?
- Menschen sind keine Maschinen. Akzeptiere, dass niemand frei von Fehlern ist. Jeder, inklusive dir, darf und wird Fehler machen. Sei dir dessen bewusst, dann brauchst du keine Erwartung, sondern lass dich treiben von dem was passiert, dann wird es grossartig.
- Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden. Spricht eine Bedürfnisse und Wünsche offen an, anstatt insgeheim zu hoffen und dann enttäuscht zu sein, wenn jemand nicht in deinen Kopf schauen und Gedanken lesen konnte.
- aktiv zuhören. Höre zu, was dein Umfeld erzählt und achte darauf, was dich umgibt. Dann erledigt sich oft die ein oder andere Erwartung.
Viel Erfolg beim weniger Erwarten 😉
Eure Nadja