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Manchmal reicht ein “sorry“ und manchmal eben nicht. Verzeihen kann man nicht alles und um Verzeihung bitten, wird häufig unterschätzt. Die Macht des Verzeihens ist vielen nicht bewusst, schon gar nicht, wie das “richtige“ Verzeihen geht. Was ist wichtig, damit die zwischenmenschliche Beziehung nach einem Fauxpas wieder in Schwung kommt, und warum können wir nicht alles verzeihen? Antworten darauf und weitere Impulse folgen in diesem Beitrag.

Wer sich entschuldigt, übernimmt Verantwortung für sein Handeln. Diese Verantwortung ist das Fundament für ein Fortbestehen der Beziehung, egal welcher Art. In Liebesbeziehungen, Freundschaften und / oder Familien, ist das Entschuldigen ein wichtiger Aspekt, damit wir mit Menschen zurechtkommen. Stellt euch einen großen Rucksack auf eurem Rücken vor und mit jedem Mal, bei dem ihr jemandem etwas schuldig werdet, füllt sich dieser Rucksack. Wenn wir ihn nicht regelmäßig leeren, zieht er uns zu Boden und macht ein Vorankommen unmöglich. Wie bekommen wir ihn also wieder leichter? In dem wir uns bei der betreffenden Person entschuldigen. Üblicherweise lernen wir in unserem Elternhaus, dass wir uns entschuldigen können. Geschieht das nicht, gehen wir schon zeitig mit einem prall gefüllten Rucksack durch das Leben. Gefüllt mit Schuld, Scham, Angst, Verbitterung. Dazu kommt, dass es im Erwachsenenalter schwieriger wird zu lernen, wie wir uns entschuldigen. Aber es geht, das ist positiv! Außerdem schafft Entschuldigen Barrieren zur Seite, die uns schon länger im Weg lagen.

Warum um Verzeihung bitten schwerfällt

Es gibt drei offensichtliche Gründe, warum es manchen Menschen schwerfällt, um Vergebung zu bitten. Erstens haben Menschen Angst vor Kontrollverlust. Wir geben die Zügel aus der Hand, wenn wir um Vergebung bitten. Wir haben dann keinen Einfluss mehr auf den Ausgang der Situation. Das löst bei vielen Menschen Unbehagen aus. Zweitens gibt es die Angst vor Zurückweisung. Wir müssen damit rechnen, dass unser Gegenüber die Entschuldigung ablehnt und uns sogar menschlich in Frage stellt. Das ist ein großer Angriff gegen unsere Persönlichkeit und kann zu Selbstwertproblemen führen. Drittens ist da die Angst zu versagen. Indem wir um Vergebung bitten, geben wir zu, dass wir unseren eigenen Standards nicht genügen, und das kann in uns das Gefühl des Versagens hervorrufen.

Verschiedene Wege um „Entschuldigung“ zu sagen

Nun könnte man meinen: „Sorry, das war blöd“ ist ja schon mal eine Entschuldigung. Weit gefehlt! Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass nicht jeder auf die gleiche Entschuldigung anspringt und nicht jedem das Gleiche wichtig ist. So wie die unterschiedlichen Sprachen der Liebe, gibt es diese verschiedene Sprachen auch beim Verzeihen. Es geht also darum, herauszufinden, welche Sprache der andere bevorzugt oder wie die Entschuldigung beim anderen wirkt. Das findet man heraus, indem man darüber spricht und fragt: „Wie kann ich mich entschuldigen, damit Du siehst, dass ich es wirklich ernst meine?“

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Es gib verschiedenen Wege, wie Gary Chapman auch in einem Buch ausführlich darlegt. Zunächst gibt es das Eingeständnis. Damit äußere ich zunächst mein Bedauern und gebe zu erkennen, dass es mir Leid tut. Damit zeige ich auch mir selbst gegenüber, dass ich erkannt habe, dass da etwas nicht okay war. Eng damit verbunden ist die Verantwortung. Hiermit zeige ich deutlich, dass ich dafür verantwortlich bin, dass dieser Fehler passiert ist. Ich gebe die Schuld nicht weiter und versuche sie auf mehrere Schultern zu verteilen. Einzig meine Schultern tragen diese Last in dem Moment. Beispiel: „es war mein Fehler“ oder „ich habe diesen Fehler begangen“. Ich kann mich aber auch entschuldigen in dem ich nach Wiedergutmachung frage: „womit kann ich dir zeigen, dass meine Entschuldigung ernst gemeint ist?“, „Wie kann ich es wieder gut machen?“. Hier geht es darum, dass ich zeige, dass ich den Fehler ernst nehme und bewusst wahrnehme, was ich getan habe. Kein Herunterspielen, kein Abtun, nicht bagatellisieren. Jetzt möchte mein Gegenüber vielleicht keine großen Wiedergutmachungsaktionen, sondern das Versprechen, dass so etwas nie wieder passiert. Die Gewissheit, dass der andere verstanden hat, dass es dumm war, gibt mir als Zeichen das Versprechen, dass es eine einmalige Sache war. Als fünfte Möglichkeit können wir um Vergebung bitten. Wir gehen auf unser Gegenüber ein, indem wir fragen, ob er überhaupt bereit ist, zu vergeben. In diesem Moment zeige ich meinen Respekt und die Empathie, dass es nicht selbstverständlich ist, überhaupt eine Entschuldigung anzunehmen. Wir gehen also von vornherein davon aus, dass der andere nicht vergibt. Das kann ein großes Zeichen der Wertschätzung sein.

Egal wie, aber bitte nicht zu schnell

Völlig unabhängig von er Sprache des Verzeihen, sollte jede Verzeihung gut überlegt und hinterfragt sein. Sowohl auf der einen, als auch auf der anderen Seite müssen wir uns klar machen, was möchte ich erreichen und ist das der richtige Weg dafür. Zu schnell zu vergeben, kann falsche Erwartungen wecken, und für alles und jeden Fehler sofort eine Entschuldigung auszusprechen kann negativen Einfluss auf das Selbstwertgefühl haben. Manchmal ist es hilfreicher, den Weg der „Zeit“ zu wählen. Beispiel: „Ich möchte dir verzeihen und ich verstehe, was du sagst. Gib mir bitte Zeit, das zu verarbeiten und dann sprechen wir darüber, wie es weitergehen kann“. Manchmal sitzt die Verletzung zu tief, als dass wir sofort vergeben und wieder auf Anfang gehen. Nicht zuletzt, weil eine Verletzung auch körperliche Folgen haben kann. Diese benötigen Zeit und Abstand, um zu regenerieren. Und ja, manchmal lässt es sich nicht wieder heilen! Auch das müssen wir akzeptieren, egal auf welcher Seite der Entschuldigung wir stehen.

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Erst keine Fehler machen

Davon träumt wohl jeder. Manche sagen: „Am besten machen wir gar keine Fehler, dann müssen wir uns nicht entschuldigen“. Leichter gesagt als getan. Ob dieses fehlerfreie Leben erstrebenswert ist, muss jeder für sich entscheiden. Ich denke, Fehler sind wertvoll. Wir lernen aus ihnen (im Idealfall), wir stärken den Blick auf uns selbst, wir vertiefen Verbindungen zu anderen Menschen und wir lernen, welche Verbindungen dauerhaft keinen Bestand haben werden. Es gibt also auch positive Aspekte. Der Mensch ist keine Maschine und solange wir immer weiter nach Perfektion streben, werden wir Fehler machen. Wichtig ist, dass wir für alles, was wir tun, die Verantwortung übernehmen.

Reaktionen auf eine Entschuldigung

Ein paar Beispiele:

  • Deine Entschuldigung berührt mich und ich möchte unsere Beziehung nicht aufgeben. Ich verzeihe dir.
  • Ich weiß, dass es dir schwer fällt, einen Fehler zuzugeben. Deshalb rechne ich dir das hoch an. Dadurch habe ich noch größeren Respekt vor dir.
  • Jeder Mensch macht Fehler. Dass du dazu stehst und mich fragst, wie du es gut machen kannst, zeigt mir, dass du es ernst nimmst. Lass uns morgen drüber sprechen, was du tun kannst.
  • Du hast mich tief verletzt. Ich denke, das ist dir klar geworden. Mir bedeutet deine Entschuldigung viel. Ohne diese könnte ich dir nicht vergeben. Ich glaube, wir können noch einmal von vorne beginnen.
  • Ich erkenne an, dass du deinen Stolz überwindest und mich um Verzeihung bittest. Allerdings ist die Verletzung so tief, dass ich dir jetzt sofort nicht vergeben kann. Gib mir Zeit und wir sehen, wie es weitergehen kann.

Du entscheidest ganz allein, ob du eine Verletzung – welcher Art auch immer – verzeihst oder nicht!

Alles kann, nichts muss!

Dein Coach Nadja