
Oft werde ich von Klienten gefragt, ob ich schon einmal falsche Entscheidungen getroffen habe oder ob ich auch mal streite. Manchmal gehen Menschen einfach davon aus, dass ich als Coach nie belastende Themen oder Konflikte habe. “Sie müssen ein perfektes Leben führen“. Ja, aber nicht, weil es fehlerfrei ist. Ich möchte in diesem Artikel etwas persönlicher werden, mit Mythen über Coaches aufräumen und Menschen weiter ermutigen, sich selbst zu vertrauen und nicht der Masse hinterherzulaufen. Es wird spannend!
Gut, dass jeder etwas anderes kann
Jeder Beruf hat seine Spezifikationen. Jeder Mensch hat seine eigenen Fähigkeiten, Talente, Interessen und Neigungen. Das ist richtig und wertvoll. Es ist inakzeptabel, dass dies immer mehr abtrainiert wird, indem Kinder und Jugendliche von jeglichen Wettbewerben ferngehalten werden sollen und es am besten in Grundschulen keine Benotung gibt. Alle sollen gleich gestellt sein, damit Kinder nicht damit konfrontiert werden, was sie nicht können. Kinder müssen lernen, sich zu messen, zu gewinnen, aber auch zu verlieren. Sie haben das Recht zu lernen, sich durchzusetzen und für das einzustehen, was sie gut können. Es ist Zeit, dass sie lernen, sich nicht zu schämen, wenn sie etwas nicht so gut können! Wir müssen Kinder stärken und ihnen beibringen, mit Gegenwind und Kritik umzugehen und auch ihre Erfolge zu feiern. Meine Beobachtungen zeigen eindeutig: Viele Kinder haben Probleme mit Lob. Wir brauchen eine einheitliche Handhabung, um einerseits eine wieder wachsende Wirtschaft zu generieren und andererseits eine Gesellschaft zu formen, in der sich die Menschen mit Respekt und Verständnis begegnen. In 15 bis 20 Jahren werden alle dasselbe können. Dann wird niemand mehr motiviert sein, sich zu spezialisieren und seine Fähigkeiten zu nutzen. Was wird dann aus der Gesellschaft? Werden dann alle Gärtner, alle Schreiner, alle nichts? Es ist eine Tatsache, dass nicht jeder Arzt, Jurist oder Friseur werden kann. Das ist definitiv der richtige Ansatz, und wir sollten Kinder und Jugendliche definitiv darauf vorbereiten! Stärken fördern und nicht auf weniger ausgeprägte Stärken hinweisen. Überall wird Vielfalt propagiert, aber an anderen Stellen wird sie gezielt abgeschafft.
Es ist doch skurril: Die Gesellschaft erwartet, dass jeder Mensch alle anderen akzeptiert. Jeder soll sich so zeigen, wie er sich fühlt und das machen, was er als richtig empfindet. Menschen mit Fuchsohren auf dem Kopf oder mit dem Pronomen „Superman“ müssen akzeptiert werden und als einzigartig angesehen werden. Aber Kinder und Jugendliche sollen alle gleich gehalten werden, damit keiner etwas Eigenes auf die Beine stellen kann?! Das ist Heuchelei! Anstatt Kinder zu reflektierenden und hinterfragenden Menschen zu machen, werden sie z.B. in der Schule zu gehorsamen Sklaven erzogen (es könnte sein, dass ich unser Schulsystem echt blöd finde – das war auch schon zu meiner Schulzeit so). Es ist zwingend notwendig, dem Kind zu vermitteln, dass es die Lösung in sich trägt und wie es selbstwirksam handeln kann. Natürlich mit Unterstützung. Später im Leben wird so viel mehr erwartet als in der Schule – und leider auch in vielen Elternhäusern – gelehrt wird.
Coach kann auch nicht jeder werden
Vor dem Gesetz aktuell schon. Das wird sich aber hoffentlich in den nächsten 5-10 Jahren ändern. Wie hat Robert Mc Donald einmal gesagt: “ein guter Coach vereint das Herz und das Schwert“!
Herz bedeutet die Fähigkeit zu Empathie und wirklich tiefem Verständnis, ebenso das Wissen, dass bei Veränderungs.- und Heilungsprozessen Kräfte wirken, die größer sind, als wir selbst. Dazu gehört auch die Fähigkeit, diese Instanz in das Coaching einzubeziehen und Momente der Wahrheit zu gestalten und zuzulassen.
Dass Schwert bedeutet über eine reichhaltig gefüllte Coaching – Werkzeugkiste zu verfügen, gepaart mit Erfahrung und Intuition, wann welches Werkzeug angebracht ist. Welche Frage oder Technik gibt den richtigen Anstoß zu neuen Erkenntnissen? Für welchen Typ Mensch eignet sich welche Methode und wie gehe ich auf die unterschiedlichen Charaktere am besten ein. Je genauer ein Coach weiß, welche individuellen Faktoren er berücksichtigen und anstoßen muss, desto erfolgreicher verläuft ein Coaching Prozess.
Durch die Verbindung von Herz und Schwert wird ein emphatischer, ethisch respektvoller, wertschätzender und zielführende Prozess gestaltet, der für beide Seiten den höchstmöglichen Nutzen hat.
Hier kommen auch spezielle Fähigkeiten und Talente zum Einsatz, die eben nicht jeder hat und auch nicht jeder erwerben kann. Wenn man ernsthaft Coach sein möchte, bedarf es mehr als ein paar blumig formulierte Kalendersprüche runterzubeten. Wer Coach sein will, muss authentisch sein (meine persönliche Meinung). Als Coach möchte ich meinem Klienten das Gefühl geben, dass er alles schaffen kann und an sich glauben darf, dass Rückschläge dazugehören und das Perfektion nicht von außen definiert werden darf. Coach sein ist eine Haltung, eine Einstellung. Kein Beruf, den man lernt und erlangtes Wissen stupide abruft. Coach sollte man nicht werden wollen, um möglichst schnell viel Geld zu verdienen. Auch wenn das zweifelsohne geht. Grundsätzlich sollte der Mensch, meiner Meinung nach, niemals einen Beruf ausschließlich des Geldes wegen ausüben.
Ja, die Grundlage ist dein eigenes Leben

Meiner Meinung nach sollte auch nicht jeder Coach werden, der mit seinem eigenen Leben überfordert ist. Das ist nicht wertend und nicht despektierlich. Das ist ein gut gemeinter Rat. Menschen vertrauen mir, als Coach, ihre größten Geheimnisse an, sie öffnen sich und teilen Ängst mit. Oft bin ich als Coach der engste Vertraute, der Einzige, der “Bescheid weiß“. Was wäre ich für ein Mensch, wenn ich das ausnutzen würde, um dadurch mein eigenes Unvermögen zu kompensieren. Niemandem ist geholfen, wenn ich mit meinen Probleme versuche, anderen bei ihren Problemen unter die Arme zu greifen. Wie erfolgversprechend ist es, dem Coachee ein gutes Gefühl geben zu wollen, welches ich selbst nicht habe? Wie sehr vertraust du einem ungesund übergewichtigen Arzt, dass sein Diätplan die Pfunde purzeln lässt? Vertraust du einem Tierarzt, der Angst vor Hund- Katze- Maus hat? Der Mensch erwartet, dass der Spezialist, dem ich mich anvertraue, weiß wovon er spricht und beherzigt, was er lehrt. Im Umkehrschluss heißt das nicht, dass ein Arzt nicht krank werden darf oder ein Physiotherapeut nicht auch mal Rückenschmerzen hat (ich nehme bewusst Abstand von unheilbaren Erkrankungen, Traumata, Missbrauch). Unterm Strich gehts darum, dass er sich zu helfen weiß, positiv bleibt, die Ursache kennt und beheben kann. Dass alle Spezialisten ein Grundverständnis für das haben, was sie anderen vermitteln möchten. Dass sie Unterstützer sind, wo Menschen alleine nicht weiterkommen und eine konstante und solide Hilfe bieten, für die, die sich selbst nicht helfen können. Resilienz sollte auch für den Coach nicht nur ein sich gut anhörendes Nomen der Fachliteratur sein. Aus Krisen gestärkt hervorgehen, nicht bei jeder Belastung zusammenbrechen, schlicht eine gute Belastbarkeit mitbringen, ist essentiell um Klienten eine gute Stütze zu sein. Sich am tag, in der Woche auf viele unterschiedliche Charaktere einzulassen, ist in der Theorie manchmal leichter, als es dann in der Praxis ist.
Wie bereits gesagt, darf jeder Spezialist auch in seinem Gebiet “Schwächen aufweisen“. Ärzte trinken Alkohol, Polizisten werden wegen zu schnellen Fahrens geblitzt, ich selbst nehme, als Pharmazeut, auch mal Kopfschmerztabletten oder Nasenspray und der Coach trifft eine falsche Entscheidung. Die Frage ist, inwieweit ist der Coach Spezialist in seinem eigenen Leben und kann authentisch das vertreten, was er anderen nahe legen möchte. Interessant zu beobachten ist, dass Menschen in dem Bereich coachen möchten, in dem sie selbst noch keinen optimalen Weg gefunden haben. Also Coaching als eine Art Selbstheilung? Bitte nicht!
Fazit: Coach kann und sollte längst nicht jeder werden. Ich setze mich sehr dafür ein, dass Ausbildungen verpflichtend werden und der Status “Coach“ die Wertschätzung erhält, die er verdient.
Ich habe selbst 4 Jahre Ausbildung/Fernstudium hinter mir und bin froh, dass ich diesen teils steinigen Weg gegangen bin. Ich bin 1,5 Jahre alle 4 Wochen zu einem Expertentreffen gefahren und hatte intensiven Austausch mit erfahrenen Coaches, die als Psychologe, Arzt oder als international ausgebildete Business Experten gearbeitet haben. Die Praxiserfahrung war somit gewährleistet. Soviel theoretisches Wissen und wertvolle Erkenntnisse wären mir verborgen geblieben. In Kombination mit meinen bereits vorhandenen Fähigkeiten und Eigenschaften kann ich heute das machen, was mich erfüllt und glücklich macht. Fakt ist auch, dass man bei anderen Menschen auf Situationen anders schaut, als bei sich. Mit Distanz zu Emotionen bleibt man naturgemäß objektiver, lösungsorientierter und fokussierter. Bei Mitmenschen fällt einem das eine Kilogramm zu viel auf den Hüften weniger auf, als bei einem selbst, wenn die Lieblingshose zwickt. Ein Coachee soll (bei mir) auch erfahren, dass ich schonmal einen Arzttermin vergessen habe, dass mich manchmal nervt, wenn jemand auf meinem Parkplatz steht, dass ich eine Schwäche für Angelo Kelly habe und wenn ich hungrig und müde bin, nicht immer wertfrei kommuniziere ;). Im Gegenzug bin ich beruhigt, wenn mein Gärtner Unkraut in seiner Einfahrt hat und ein befreundeter Elektrikermeister defekte Außenbeleuchtung.
Ich bin nicht fehlerfrei und ich erwarte auch von meinen Coachees nicht, dass sie fehlerfrei sind. Ich bin überzeugt, dass es nur auf eine reflektierte, bewusste und sensible Haltung für sich und sein Handeln ankommt. Es geht nicht um Fehlerfreiheit, sondern darum, sein Leben selbstwirksam zu gestalten. Wir können uns die Frage stellen: Was ist ein Fehler? Wer definiert, was ein Fehler ist? Richtig oder falsch. Fehler oder kein Fehler. Perfekt oder nicht perfekt. Jeder sollte das für sich selbst definieren und nicht für andere. Die einen bevorzugen den Urlaub am Strand, die anderen in der Stadt oder in den Bergen. Jeder Mensch hat andere Vorstellungen von Urlaub und so sollte es in allen anderen Lebensbereichen auch sein.
Fun facts über mich:
- Liebt gut bürgerliche Küche
- Hat seit 3 Jahren Flugangst, gibt aber sonst auch schonmal die Kontrolle ab 😉
- Optimist
- Traveller
- Liebt das Leben
- Hat ein Problem damit, der Masse blind zu folgen
- Selbstdenker
- “ was möchtest du mir damit sagen“
- Typischer Löwe
- Von Lehrern geliebt, von Schülern eher nicht so
- Hat Immer schon keinen Wert darauf gelegt, was andere denken
- Nicht der andere ist Schuld an meiner Emotion, sondern ich selbst bin es
- Kinder sind nicht dazu da, um zu geben, sondern um zu erhalten.
Zusammenfassung: Jeder Experte darf “Schwächen“ auf seinem Gebiet haben, er sollte aber zeitgleich Experte darin sein, diese zu managen und ein grundsätzliches Verständnis für sein Leben haben. Handwerkszeug sollte abrufbar und greifbar sein und auch schwierige Situationen sollten konstruktiv gelöst werden. Mensch sein sollte jeder dürfen!!
Mach dich nicht abhängig von Meinungen und Gefühlen anderer Menschen. Sei autark und vertrau auf dich selbst. Du wirst sehen, das Leben wird schöner und leichter. Probier’s aus ;)!
Dein Coach Nadja