Das Ende einer Illusion. Das Ende einer Täuschung. Enttäuschung kennen wir alle. Was es heißt, enttäuscht zu werden, erleben wir wahrscheinlich am häufigsten in unseren Beziehungen zu anderen Menschen. Wir sind enttäuscht, wenn der Chef den Urlaub nicht genehmigt. Wir sind enttäuscht, wenn die beste Freundin eine Verabredung absagt. Aber am meisten sind wir enttäuscht, wenn der Partner etwas tut, was uns nicht gefällt, oder etwas sagt, was wir nicht hören wollen. Aber wieso kommt es besonders in Beziehungen immer wieder zu Enttäuschungen und wie können wir damit umgehen?
Der Partner kann nur verlieren
Wenn uns Menschen, insbesondere unsere Partner, immer wieder enttäuschen, liegt das nicht an der Bösartigkeit des Partners, sondern oft an uns selbst. Ich nenne im Folgenden ein paar Gründe, weshalb wir immer wieder enttäuscht werden:
- Wir haben schlicht und ergreifend zu hohe Erwartungen an unseren Partner
- Wir schreiben unserem Partner zu viele Rollen zu (Partner, bester Freund, Liebhaber, Seelenverwandter, Versorger, Helfer, etc.)
- Wir idealisieren und kommen aus dieser Illusion nicht mehr heraus (in den ersten Wochen des Kennenlernens, ist jeder nahezu perfekt)
- Wir haben die Erwartung, dass unsere Partner das Gleiche wollen wie wir selbst (gleiche Bedürfnisse, Werte, Hobbys, Wünsche, Ziele, … )
- nicht das Unwichtigste: Wir vertrauen zu wenig auf uns selbst und übertragen dann die Problemlösung auf unseren Partner (ich kann das nicht, deshalb musst du das machen)
Wir haben uns also in etwas getäuscht! Dazu kommt dann, dass wir alles, was unser Partner tut, bewerten und eine Idee davon haben, warum er das jetzt gerade so macht oder auch nicht: „Würde er mich wirklich lieben, würde er das nicht tun“. So einfach ist es dann doch nicht. In der ersten Phase der Beziehung, der Verliebtheit, verblasst neben den Schmetterlingen im Bauch und der Euphorie über die neue Partnerschaft die Tatsache, dass da ein Mensch mit eigenen Wesen und eigener Seele ist. Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass der Partner nicht dazu da ist, unsere Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. Er hat schließlich auch eigene. Bei all diesen Anforderungen kann der Partner nur verlieren. Auch wir sind nicht in der Lage, 5 oder mehr Rollen gerecht zu werden. Jede Rolle hat ihre speziellen Anforderungen und „Aufgaben“. Wir sollten uns vor Augen führen, welche Seiten wir besonders an unserem Gegenüber schätzen und weshalb genau diese wichtig für uns und unsere Verbindung sind. Im Gegenzug wird es auch Bereiche geben, die derjenige eben nicht abdecken kann und das ist auch gut so. Denn Hand aufs Herz: Kannst Du ALLES erfüllen, was du erwartest? Zu jeder Zeit?
Für Enttäuschungen ist jeder selbst verantwortlich
Das mag zunächst eine provokante Aussage sein, die ich im Folgenden aber gerne erkläre. Es ist keine leichte Aufgabe, sich einzugestehen, dass man für Enttäuschungen immer selbst verantwortlich ist. Wer enttäuscht wird, hatte Erwartungen an seinen Partner, die dieser nicht erfüllen konnte oder wollte. Sobald eine Erwartung nicht erfüllt wird, kommt es zu Vorwürfen. Enttäuschungen und Frustrationen machen Verborgenes in der Liebe sichtbar. Es sind also sogar Hilfen, wenn man sie aus einer anderen Perspektive betrachtet. Wir haben jetzt die Möglichkeit, uns zu fragen, wie es zu dieser Enttäuschung kommen konnte. Was haben wir nicht kommuniziert oder nicht ernst genommen? Wie viel haben wir einfach vorausgesetzt, ohne jemals zu hinterfragen, ob es der Realität entspricht?
Klassiker Seitensprung
Hier sind Opfer und Täter augenscheinlich schnell identifiziert. Der Betrogene ist das Opfer und eindeutig unschuldig an der Situation. So kommen viele Paare in meine Beratung. Es ist klar, dass ich diese Feststellung oder Erwartung nur enttäuschen kann. Denn für mich gibt es Täter und Opfer nicht. Meine erste Frage ist dann oft: „Und was enttäuscht Sie daran am meisten? Die Antwort scheint zunächst klar. Aber erst im weiteren Verlauf des Gesprächs wird deutlich, dass die Wut über den Betrug ihren Ursprung ganz woanders hat (das ist natürlich individuell und nicht einheitlich zu definieren).
Wichtig ist auch die Frage, ob definiert wurde, wann ein Seitensprung vorliegt oder ob jeder mit anderen Vorstellungen in die Beziehung gegangen ist. Es gibt kein Gesetz, das festlegt, wann ein Betrug vorliegt und ob ein Seitensprung erlaubt ist oder nicht. Wir gehen davon aus, weil wir es so gelesen haben oder weil es uns von unseren Eltern vermittelt wurde. Eine verbindliche Definition, was erlaubt ist und was nicht, trifft jedes Paar für sich selbst. Hier wird deutlich: Es gibt viele Möglichkeiten enttäuscht zu werden, aber eben nur dann, wenn ich mich täuschen lasse!
Ist die Enttäuschung das Ende einer Beziehung?
Nein, nicht unbedingt. Wie bereits erwähnt, kann eine Enttäuschung ein Anstoß sein, etwas zu ändern – an mir selbst und an meiner Beziehung. Sie zeigt immer Defizite bzw. verborgene Bedürfnisse auf. Mit dem Bewusstsein darüber, haben wir die Möglichkeit, Dinge zu neu zu denken. Wir sortieren unsere Gedanken neu, stehen wieder auf und gehen weiter. Wichtig ist das offene Gespräch über diese Enttäuschung und die damit verbundenen Emotionen. Jeder soll hier die Möglichkeit haben, sich angemessen mitzuteilen. Im Anschluss kann gemeinsam eine Lösung gefunden werden, die eine wiederholte Enttäuschung unwahrscheinlicher macht.
Vorbeugende Maßnahmen
- definiere zu Beginn einer Beziehung und immer wieder während der Beziehung deine Erwartungen und Bedürfnisse
- stärke dein Selbstwertgefühl, um nicht in die Abhängigkeit deines Partners zu geraten (insbesondere emotional)
- mache dir bewusst, dass du allein für dein Glück verantwortlich bist
- Beziehung sollte eine bewusste Entscheidung sein, keine Alternative zu etwas anderem
- Schlucke deine Gedanken nicht herunter sondern suche das offene Gespräch; ehrliche Kommunikation ist auch hier der Schlüssel zum Glück
Dein Coach Nadja Brodzina