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Was früher die Dorfkneipe, das Dorffest oder der Sportverein war, ist heute das Online- Dating- Portal. Knapp 9 Millionen Nutzer verzeichnen die verschiedenen Dating-Apps oder Dating-Plattformen. Laut einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2023, melden sich die meisten dieser Nutzer mit der Absicht an, eine langfristige Beziehung einzugehen. Was bietet diese moderne Form des Kennenlernens? Findet man online wirklich den Partner fürs Leben? Was sind die Vorteile des Online- Datings und ist es im realen Leben nicht doch realistischer, den richtigen Partner zu finden?

Traumpartner per Knopfdruck

Zugegeben, die Vorstellung auf Knopfdruck den perfekten Partner zu finden klingt verlockend. Nur einen Klick von der großen Liebe entfernt. Klingt traumhaft, ist und bleibt aber bei weitem nicht so einfach, wie es diverse Apps und Anbieter suggerieren. Ich möchte in diesem Artikel nicht auf die einzelnen Portale eingehen und schon gar nicht Werbung für irgendeines machen. Nur so viel: Jede App funktioniert anders und hinter jedem Dienst stecken andere technische Systeme, so dass die Ergebnisse sicher nicht alle gleich sind. Aber das Prinzip ist das gleiche. Bei dem einen zahlt man mehr, bei dem anderen zahlt man gar nichts. Trotzdem entscheidet derjenige, der Maus und Tastatur bedient, was am Ende herauskommt. DU entscheidest also, wie erfolgreich das Online-Dating wird. Indem du dir vor allem Gedanken darüber machst, wie dein Traumpartner aussehen soll. Denn das haben virtuelles und reales Dating gemeinsam: DU musst wissen, was du willst! Ohne das wirst du auf keinem der beiden Wege den Richtigen finden. Beim Online-Dating kommt erschwerend hinzu, dass du in kurzer Zeit eine große Masse an Menschen vorgeschlagen bekommst, die (laut technischer Systeme) zu dir passen. Es ist keine Seltenheit, dass du plötzlich 50-100 Personen zur Auswahl hast. Wenn du dann nicht weißt, was du willst, wird es schnell zum Jahrmarkt. Einfach alles anklicken und hoffen, dass der Richtige auftaucht. Überlege dir also vorher ganz konkret, mit welchen Erwartungen du ins Dating gehst und wie er, der passende Partner, sein soll. Nach diesen Kriterien kannst du dann das Portal auswählen, auf dem du suchen möchtest. Denn auch das sollte zu dir und deiner Art des Datings passen. An dieser Stelle schon mein erster wirklich eindringlicher Appell: Betrachte Dating nicht als Jahrmarkt. Hier sind echte Menschen unterwegs, die sehr oft mit Ernsthaftigkeit und echtem Gefühl unterwegs sind. Es ist sicherlich mal witzig ein paar Häkchen zu klicken und wiederum andere wegzulassen, sei dir aber immer darüber im Klaren, dass dir das nicht den richtigen Partner garantiert.

Warum eigentlich online?

Anonymität, Distanz, Unnahbarkeit sind sicherlich Argumente, die für das Online-Dating sprechen. Wenn einem etwas nicht gefällt oder jemand komisch erscheint, ist mit einem Klick alles gelöscht und die Anonymität wiederhergestellt. Die Distanz durch den Bildschirm und die räumliche Distanz machen es leicht, keine menschliche Nähe aufkommen zu lassen. Es bleibt oft lange oberflächlich und bis zum ersten Treffen vergehen oft Tage oder Wochen. Wenn es dann aber zum Kennenlernen kommt, ist die Erwartung oft groß, dass sofort der Funke überspringt und große Gefühle entstehen. Sorry! Das kann nicht funktionieren. Du kannst nicht auf eine Form des Kennenlernens setzen, die von der Distanz lebt und dann plötzlich Nähe erwarten. Deine nächste Herausforderung lautet also: Warum will ich meinen Partner online suchen? Die Frage klingt einfach und du wirst sagen: „Ich habe keine Zeit auszugehen, Kino und Disco sind nichts für mich, in meinem Beruf gibt es keine Männer (oder Frauen, je nachdem), mit denen ich mich treffen möchte…“.

Alles Ausreden 😉 Hinterfrage, was dich wirklich zum online Dating motiviert!

  • Angst einen Korb zu bekommen, also abgelehnt zu werden
  • Angst, mit dieser Abweisung emotional nicht fertig zu werden
  • Keine Ahnung, wie du jemanden ansprichst
  • Sorge nicht wahrgenommen zu werden und “draußen“ keine Chance zu haben
  • fehlendes Selbstvertrauen, ganz allgemein
  • Angst, in einem potenziellen Gespräch einen Blackout zu erleiden
  • Gesellschaftlicher Zwang (machen ja alle so)
  • Angst jemand anderen ablehnen zu müssen und diesen Menschen zu verletzen (ein Mausklick ist leichter)

Es gibt viele mögliche Gründe, warum du Online-Dating bevorzugst. Deshalb ist es wichtig, dass du ehrlich zu dir selbst bist und weißt, warum du online auf Partnersuche gehst. Denn wenn du dir darüber im Klaren bist, ersparst du dir böse Überraschungen, wenn du feststellst, dass vieles nicht anders ist als im echten Leben. Denn irgendwann kommt der Punkt, an dem du jemanden treffen möchtest, mit dem du online “gematched“ hast. Und dann? Dann wirst du mit deinen Ängsten und Gedanken im realen Leben konfrontiert und weißt nicht, wie du damit umgehen kannst. Dann hast du eine Zeit lang eine Spannung aufgebaut, die schnell in sich zusammenfällt. Eine große Enttäuschung macht sich breit, weil das Online- Dating so viel versprochen hat.

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Die Gefahr einer Sucht

Ein stark unterschätzter Faktor der Dating-Revolution zeigt sich in der bestehenden Suchtgefahr. Dating-Apps ermöglichen den Zugriff auf einen Pool von Gleichgesinnten, eine unbegrenzte Auswahl an möglichen Partnern. Überall und zu jeder Zeit. Eine Gefahr für die Psyche. Insbesondere die unendlich erscheinenden Möglichkeiten, ein neues Match zu finden, in Verbindung mit dem Wischsystem, das viele Dating- Apps verwenden, stellen eine Gefahr dar. Der Reiz des Wischens (links Top, rechts Flop) in Kombination mit der ständigen Auswahl neuer Matches kann zu einem Suchtverhalten der Nutzer führen. Ähnlich wie beim Glücksspiel schüttet das Gehirn beim Wischen Dopamin aus, wenn der Nutzer einen Gewinn, in diesem Fall ein Match, erzielt. Da jedoch nicht vorhersehbar ist, wann und ob ein neuer Treffer erzielt werden kann, kann sich bei immer häufigerem Wischen eine Sucht entwickeln.

Fear of missing out beschreibt die Angst, ein vermeintlich perfektes Match, eine vermeintlich perfekte Beziehung zu verpassen. die Tatsache, dass man sich online nicht festlegen muss, da stündlich neue „perfect matches“ präsentiert werden, lässt uns den Blick für das Wesentliche verlieren. Es lässt uns glauben, dass wir nicht zufrieden sein müssen, dass es noch besser wird. Der Nächste wird noch perfekter. Besser aussehen, ein noch sportlicheres Auto und einen noch besseren Beruf haben usw. FOMO kann also der Auslöser für übereilte Entscheidungen und ständige Partnerwechsel sein. Wir verlernen, individuelle Eigenschaften und Fähigkeiten zu schätzen und hetzen von einem Ideal zum nächsten. Bis wir selbst nicht mehr wissen, wer wir sind und wofür wir stehen. Umso wichtiger auch hier zu wissen, was du möchtest. Sodass du auch bei einem noch so perfekt klingenden Match weißt, dass du das Ideal, vielleicht schon bei einem vorherigen Klick, gefunden hast.

Das Einfache macht es attraktiv. Online muss man sich zunächst nicht mit negativem auseinander setzen. Es ist unkompliziert und wir müssen uns zunächst mit nichts auseinander setze, außer die richtigen Buttons zu klicken, um zum Match zu gelangen.

Nicht alles Gold was glänzt

Jeder möchte sich von seiner besten Seite zeigen, besonders bei der Partnersuche. Hochglanzfotos werden hochgeladen. Tolle Szenen aus dem letzten Strandurlaub oder ein süßes Tierbaby, um besonders emotional zu berühren. Vielleicht aber auch eher die Fahrrad- und Fußballbilder, um nicht als Couchpotato entlarvt zu werden. Um möglichst gut dazustehen, ist vielen jedes Mittel recht. Du hast online keine Möglichkeit, das Gegenteil herauszufinden. Man muss erst einmal glauben, was man sieht. Und das ist ein Problem, denn niemand wird am Anfang mit „schlechten“ Dingen für sich werben. Wobei ich hier ganz klar sagen möchte: Niemand ist aufgrund oberflächlicher Faktoren schlechter als andere. Ein sportlicher Mensch ist nicht besser als jemand, der gerne auf dem Sofa sitzt. Gesellschaftlich wird es aber eher negativ bewertet, wenn jemand optisch nicht in das (perfekte) Raster passt. Hier hoffe ich, dass sich das langsam wieder in Richtung Normalität ändert. Für gehemmte Menschen ist das Onlineportal also von Vorteil. Beim Kennenlernen stellt man dann schnell fest, dass die Bilder mit diversen Filtern versehen waren und das Kätzchen vom Nachbarn war und das Fahrrad nur ausgeliehen war. Beachte also, dass nicht alles der Realität entsprechen muss, was du siehst und liest. Einiges ist auch Definitionssache. Es gibt Worte, die jeder kennt und benutzt, ohne ihre Bedeutung zu kennen. So liest es sich gut, wenn jemand von Harmonie und Zweisamkeit schreibt. Auch Vertrauen und Ehrlichkeit sind Worte, die sich in einer Online-Vita gut lesen. Hier kannst du gerne nachfragen, was die Person damit meint bzw. was sie in ihren Augen auszeichnet. So hast du auch einen guten Gesprächseinstieg, der nicht zu künstlich wirkt. Man sollte versuchen, die erste Kommunikation nahe am Profil zu halten. Sie sollte nicht zu kreativ sein. Das wirkt schnell aufgesetzt. Insgesamt sollte der Start von Leichtigkeit und Lockerheit geprägt sein. Wenn es zu schnell „ernst“ wird, wirkt das abschreckend. Bedenke, dass hier Menschen sitzen, die wahrscheinlich genau wie Du einen der Punkte aus der obigen Liste bedienen 😉 Menschen, die sich online treffen, suchen keine Therapie, sondern in erster Linie einen Buddy, der genauso tickt wie sie. (Diejenigen, die Therapie suchen, gibt es auch, aber da du weißt, was du willst, triffst du sie nicht ;))

Vorteile? Na klar

Auch wenn es bisher einige negative Punkte gab, hat Online Dating auch Vorteile. Zwischen den Zeilen konntest du sie bestimmt erkennen :). Denn was für den einen negativ ist, kann für den anderen durchaus positiv sein. So kommen schüchterne Menschen in Situationen, denen sie im wirklichen Leben lieber aus dem Weg gehen. Sie bekommen positives Feedback, wahrscheinlich sehr regelmäßig, das sie im wirklichen Leben nicht bekommen oder aufgrund von Selbstzweifeln nicht wahrnehmen. Die Distanz kann durchaus einen gewissen Reiz haben, der sich dann bei einer realen Begegnung in einem Feuerwerk der Gefühle entlädt. Insgesamt ist das Unbekannte, das Ungewisse durchaus mit einem gewissen Reiz verbunden. Das Auswählen aus verschiedenen Möglichkeiten tut dem eigenen Ego sicher auch mal gut, zumal man im realen Leben wohl kaum so viel Feedback über das eigene Wesen bekommt. Das Gefühl, mit der ganzen Welt verbunden zu sein, ist auch ein entscheidender Faktor, warum Online-Dating so boomt. Wie wahrscheinlich ist es, dass man in der Disco um die Ecke jemanden aus England, Italien oder gar Australien kennenlernt? Ob das am Ende für eine Beziehung relevant wird, ist unterschiedlich. Spannend ist es auf jeden Fall. Für die sogenannten Dorfkinder ist der Großstädter schon auch „spannend“, immer im Hinterkopf, was es bedeutet, einen Menschen aus der (Groß-)Stadt kennenzulernen.

Fazit

Ich möchte hier keine Begegnungsform als gut oder schlecht hervorheben. Ich bin davon überzeugt, dass es für jeden die Richtige Form gibt. Wenn man mit Bedacht und Selbstbewusstsein an die Sache herangeht, kann man es schaffen. Egal ob online oder im realen Leben. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass man online viele schöne Erlebnisse und Momente verpasst. Der Moment der ersten Begegnung, das verschmitzte Lächeln im Café. Das schüchterne: „Hey, du bist mir aufgefallen“. Das gesprochene Wort, der Klang der Stimme, die Aufregung vor dem ersten Gespräch. Ich wünsche mir, dass wieder mehr Menschen diesen Weg wählen und die ersten unbeschwerten Stunden genießen, in denen man das Gefühl hat, das Leben sei endlos und die Welt eine große Party.

Wo Liebe ist, wird das Unmögliche möglich. – Buddha –

Dein Coach Nadja