Ein kleines Wort mit großer Bedeutung, das viel zu oft unterschätzt wird. Ein Nein ist für die meisten Menschen zunächst einmal etwas Negatives. Das ist klar, denn das Wort an sich drückt ja auch eine Ablehnung aus. Aber ist eine Ablehnung grundsätzlich negativ, oder kann man sie auch anders betrachten? Wann ist ein Nein hilfreich, wann eher kontraproduktiv und wann absolut notwendig? Ich zeige dir, was das Wörtchen Nein mit den Steinzeitmenschen zu tun hat und wie du lernst, auch mal Nein zu sagen.
Back to the roots
Es mag wie eine Ausrede klingen, aber wir können einfach nicht nein sagen – das liegt in unseren Genen. Aus evolutionspsychologischer Sicht ist der Mensch ein zutiefst kooperatives Wesen. Unsere Vorfahren wussten genau, dass sie nur in Gemeinschaft überleben können. Nur gemeinsam konnten Gefahren erkannt, Kämpfe gewonnen und Nahrung beschafft werden. Ein Einzelner hätte ganz sicher nicht überlebt. Gefährliche Tiere konnten nur gemeinsam abgewehrt werden. Wer von der Gruppe ausgeschlossen wurde, der starb (mit hoher Wahrscheinlichkeit). Daher fällt es dem Steinzeitmenschen in uns schwer, „nein“ zu sagen und wir tun uns extrem schwer damit, jemand anderen auszuschließen. Wir hinterfragen unser Handeln nicht oder die Rolle, die wir bekleiden – wir tun es einfach. Letztendlich ist der Mensch ein Herdentier und fühlt sich in Gemeinschaft am wohlsten. Unser grundsätzliches Harmoniebedürfnis hindert uns daran, anderen mit einem klaren Nein zu begegnen. Selbst wenn wir unzufrieden sind, fällt es den meisten Menschen schwer, „nein“ zu sagen. Es muss erst etwas Schwerwiegendes passieren oder eine unausweichliche Situation entstehen, damit wir Nein sagen.
Jetzt sagst du, zu recht: “aus der Steinzeit bin ich lange raus, ich würde heute alleine überleben und trotzdem kann ich nicht nein sagen“.
Nicht aus der Reihe tanzen
Auch heute ist es wichtig, sich durchzusetzen und sich nicht einschüchtern zu lassen. Heute nennt man das „People Pleaser“. Von mir aus. Jeder möchte von jedem gemocht werden. Dafür ist man bereit, vieles in Kauf zu nehmen. Hand aufs Herz, wann hast du zuletzt Ja gesagt, obwohl du Nein meintest? In welcher Situation hattest du das Gefühl, dass du dich unbeliebt machst, wenn du Nein sagst? Ich bin sicher, dass dir klar geworden ist, dass das ziemlich oft passiert. Die Gesellschaft bestätigt uns an dieser Stelle. Es wird uns vorgegaukelt, dass wir alle individuell sind und jeder auf seine Weise liebenswert ist, doch im Ernstfall wird man für Individualität, für eigenständiges Denken und Handeln verurteilt. Ich erinnere gerne an die sogenannte „Corona-Pandemie“. Wie eine Herde sind alle losgerannt und haben Befehle befolgt. Wer sich dem nicht beugte, wurde ausgeschlossen. Da musste man schon ein verdammt dickes Fell haben, um durch diese Isolation und teils gravierende Ablehnung nicht in eine Depression zu verfallen. Ein weiteres Beispiel ist dieses Gender- Gedöns, wogegen ich mich strikt wehre. Ich persönlich halte das für den größten Quatsch dieser Zeit. Das ändert nichts an meiner Gesinnung, an meiner Einstellung zu unterschiedlichen Menschen.
Ich erinnere an jemanden der, im Zusammenhang mit Musicals, gesagt hat: die Musik ist überflüssig, denn sie trägt nichts zur Handlung bei. So tragen die Doppelpunkte auch nichts zum Inhalt bei. Also sollten wir, bevor wir rennen, hinterfragen ob das sinnvoll ist und zum Erfolg führt.
Alle rennen los und versauen schöne deutsche Sätze. Auch hier wirst du schräg angeguckt, wenn du es nicht machst. Es hat sich nicht so durchgesetzt, wie von einigen erhofft. Dennoch stößt man auf Unverständnis, wenn man sagt: „Das mache ich nicht.“ So zeigt man uns jeden Tag, dass jeder seine eigene Meinung haben darf, aber individuell zu sein und diese vielleicht andere Meinung zu äußern, ist eher nicht gern gesehen. Deshalb ist es natürlich nicht einfacher, zu erkennen und dann umzusetzen, wenn ich ein „Nein“ aussprechen möchte. Das heißt, unser Umfeld, also die Gesellschaft, in der wir uns befinden, hat einen entscheidenden Einfluss darauf, ob wir Nein sagen oder nicht. Deshalb ist es wichtig, eine eigene Meinung zu entwickeln und sich bewusst zu sein, dass man für sich und sein Leben ganz allein verantwortlich ist. Wenn du weißt, wer du bist und was du willst, kannst du dich besser gegen äußere Einflüsse wehren. Du musst am Ende des Tages in den Spiegel schauen und sagen können: „Das hast du gut gemacht.“
Unser Gehirn ist flexibel
Unser Gehirn ist zum Glück ziemlich anpassungsfähig und kann sich neuen Gegebenheiten anpassen und verändern. Dieses Phänomen heißt Neuroplastizität und wir können es uns zunutze machen. Dafür brauchen wir zum einen Geduld und zum anderen müssen wir wissen, was genau wir brauchen und uns wünschen. Achtung: „Brauchen“ und „wünschen“ sind zwei verschiedene Dinge. Was wir brauchen, ist eine Art Grundpfeiler, nämlich unser Bedürfnis. Unser Wegweiser, der uns dabei hilft, im Leben den richtigen Weg zu finden und uns wohlzufühlen. Wünsche sind sozusagen die Kirsche auf der Torte, das „nice to have“. Sie sind flexibel, verändern sich schneller und lassen sich leichter beeinflussen. Als erstes sollten wir unsere Bedürfnisse kennen und genau definieren können. Also kein schwammiges „Ich möchte glücklich sein“. Das ist etwas, das wohl jeder braucht/möchte. Die Frage ist doch eher: Was macht dich glücklich? Woran merkst du, dass du glücklich bist? Woran merkst du, dass es nicht befriedigt ist? Was kannst du tun, um dich glücklich zu machen? Es ist nicht immer einfach, das eigene Bedürfnis zu definieren. Dabei kommt es auch darauf an, in welchem Umfeld du dich bewegst. Rücksicht auf den Partner, die Kinder, die Eltern, den Chef, die Kolleginnen und Kollegen … Auch hier gibt es wieder jede Menge Faktoren, bei denen wir denken, dass wir dafür verantwortlich sind. Kinder lasse ich jetzt mal außen vor, das ist ein anderes Thema. Du musst grundsätzlich keine Rücksicht auf alles andere nehmen, wenn du dein Bedürfnis äußern möchtest. Im Gegenteil: Ein klares Nein zeigt klare Grenzen und ist einfach authentisch. Die Leute in deinem Umfeld merken ziemlich schnell, dass du weißt, was du willst und dich durchsetzen kannst. Dadurch bist du für viele deutlich interessanter. Wer möchte denn schon dauerhaft mit jemandem zusammenarbeiten, der nur mitläuft? Hier kann vielleicht jemand von dir lernen. Da schaut jemand zu dir auf und sagt: „Toll, wie du das machst.“ „Das möchte ich auch können.“ Das ist eine schöne Bestätigung, dass dein Weg der richtige ist. Das heißt, du kannst lernen, in bestimmten Situationen „nein“ zu sagen. Wenn du weißt, was du brauchst, um glücklich zu sein, kannst du gezielt nein sagen und zu deinem Wohlergehen entscheiden. Nein zu anderen ist ein Ja zu dir. 😉
Der unsichtbare Rattenschwanz
Was auf den ersten Blick nicht auffällt, ist, was im Hintergrund passiert, wenn ich „Nein“ sage. Im Grunde genommen lüge ich in diesem Moment. Ich umgehe eine Sache und bin nicht ganz ehrlich zu mir selbst. Natürlich ist das Ergebnis auch nicht ganz ehrlich. Wenn ich etwas auf einer Lüge aufbaue, kann das Ergebnis nicht ehrlich sein. Das heißt, ich muss dem einen Ja weitere Ja’s folgen lassen, obwohl ich eigentlich Nein meine. Ich bringe mich da in eine ziemlich brenzlige Lage.
Nehmen wir mal an, eine Party steht an und es wird ein Fahrer gesucht. Schon bald wirst du gefragt, ob du den Job übernehmen möchtest. Du denkst, du bist der ideale Kandidat, um alle sicher zur Location zu bringen. Du sagst zu und bist dabei. In diesem Moment verlassen sich alle auf dich und sind sich sicher, dass alles in Ordnung ist. Das heißt, du musst zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten sein. Deine eigene Planung bzw. Zeiteinteilung ist dann natürlich hinfällig. Du kannst nicht einfach früher gehen und du musst abends auch noch alle irgendwohin zurückbringen. Vielleicht kommen noch Leute dazu, die auch nach Hause müssen. Vielleicht musst du im Vorfeld sogar dein Auto ausräumen, umräumen oder Ähnliches. Das heißt, mit einem kleinen Ja kommen ganz viele andere Ja’s dazu, die dir die Laune vermiesen können. Du kommst da nur schwer wieder raus, weil sich einige Menschen auf dein Wort verlassen. Wenn du erst mal zugesagt hast, ist es noch schwieriger, mittendrin zu sagen: „So, jetzt aber Nein.“ Die Hürde ist im laufenden Prozess höher, als gleich zu Beginn zu sagen: „Nein“ oder „Nein, aber mit Abstufungen“. Frage dich also zu Beginn, bist du aus dem Innen heraus motiviert diesen Job zu übernehmen, bist du bereit die Konsequenzen zu übernehmen und bist du bereit Ja zu sagen, obwohl du eigentlich Nein meinst? Wenn nicht solltest du unbedingt nein sagen, falls doch, ist es aber ein überzeugtes Ja und ein bewusstes in Kauf nehmen. Das ist immer authentischer, als irgendetwas zu sagen, nur um nicht schräg angeschaut zu werden oder gar einen Konflikt zu provozieren.
Der Ton macht die Musik
Im Prinzip ist ein „Nein“ erstmal eine Ablehnung und im ersten Moment negativ. Irgendwie klingt es seltsam, ein „Nein“ positiv zu formulieren. Aber darum geht es ja gerade. Wie bei allem anderen auch. Vor allem bei der Kommunikation kommt es auf den Ton und die Wortwahl an. Ich zeige euch mal ein paar Beispiele, wie man ein Nein so formulieren kann, dass es beim Gegenüber besser ankommt, denn ein Nein ist kein Satz.
- Ich freue mich, dass du an mich gedacht hast. An dem Tag passt es aber nicht in meinen Kalender
- Vielen Dank, dass sie mir das zutrauen, aber ich denke es ist noch zu früh, für diese Verantwortung
- Ich habe mich bereits auf die Feier gefreut, leider bin ich krank geworden und kann daher nicht kommen
- Ich verstehe deine Gedanken dazu, ich muss dir aber an der Stelle absagen
- Sei mir nicht böse, aber für heute Abend liegt meine Priorität woanders und deshalb…
- Ich wünsche mir, dass du das nachvollziehen kannst, ich möchte in nächster Zeit mehr an mich denken und kann daher nicht zusagen
- Im Moment habe ich andere Verpflichtungen
- Das ist nicht das Richtige für mich
- Vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt
- Leider kann ich deiner Bitte gerade nicht nachkommen, da meine Kapazitäten ausgeschöpft sind
Es gibt eine Vielzahl mehr, ein nein nicht als solches zu deklarieren. Die Frage sollte immer sein, was möchte ich bei meinem gegenüber erreichen. Wie soll mein Gegenüber mich wahrnehmen, was möchte ich mitteilen. Dementsprechend kann ich Worte und Tonwahl anpassen. Wenn du das ein paar Mal geübt hast, merkst du, dass nichts schlimmes passiert und das viel eher akzeptiert wird, als du in der Theorie vermutest.
Fahrplan um zukünftig leichter Nein zu sagen:
- Bedürfnisse bewusst machen
- Werte definieren
- Selbstbewusstsein stärken
- Ressourcen aktivieren
- Üben, immer wieder trainieren
- Geduld zeigen
- Gelassen und selbstbewusst agieren und NEIN sagen 😉
Jedes Nein zu jemand oder etwas anderem ist ein JA zu dir!
Viel Erfolg, Dein Coach Nadja